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Biographisches von Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Chronologie des 20. Juli 1944
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Heiliger unterm Hakenkreuz

Prof. Dr. Peter Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, ist der Publizist, der sich maßgeblich mit Stauffenberg befasst hat und seine Person auch durchaus kritisch betrachtet. Seine Sichtweise ist richtungsweisend, weshalb ich gerne nachstehenden Artikel im Original mit Genehmigung des Verfasser veröffentliche.

Sichtweisen...

Artikel

Stauffenberg


Heute gilt er als Held, als aufrechter Demokrat, als Lichtgestalt während der Nazi-Zeit - doch jahrzehntelang hatten die Deutschen erhebliche Probleme mit dem Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg. Von Peter Steinbach



Am 100. Geburtstag von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, mehr als sechzig Jahre nach dem Anschlag vom 20. Juli 1944, scheint die Würdigung des Hitler-Attentäters und seiner Tat einfach zu sein. Seit Jahrzehnten erinnert eine zentrale Gedenkveranstaltung im Innenhof des Berliner Bendler-Blocks an das Attentat im ostpreußischen Führerhauptquartier, das dem Ziel, Hitler zu töten, denkbar nahe kam.


Vergessen ist schnell, wie schwer es sich die Deutschen mit der Würdigung dieser Tat und des Attentäters Stauffenberg über viele Jahrzehnte hinweg getan haben. Zunächst bestimmte die NS- Propaganda das Bild. Ehrgeizzerfressene Offiziere hätten versucht ihn zu töten, verkündete Hitler schon in den frühen Abendstunden des 20. Juli 1944 in seiner ersten Rundfunkansprachenach dem Attentat. Die meisten Deutschen machten in den folgenden Tagen aus ihrer Abscheu keinen Hehl. Der Sicherheitsdienst registrierte fleißig, wie sehr die Deutschen der "Vorsehung" vertrauten.


Nur insgeheim wurde Stauffenberg von jenen bewundert und gerechtfertigt, die wussten, dass Deutschland allein durch eine Niederlage von der NS-Herrschaft befreit werden konnte. Die meisten Zeitgenossen sahen in seiner Tat nur den Versuch eines hohen Offiziers, in letzter Minute die eigene Haut zu retten. Welcher Mut zur entscheidenden Tat gehörte, was Stauffenberg - schwer verwundet in Nordafrika, verheiratet, Familienvater - mit dieser Tat riskierte, wollten sie weder wissen noch würdigen. Nur zu gerne glaubten sie den Ausfällen nationalsozialistischer Propaganda gegen Adelige und Generalstabsoffiziere.


Die Stammtische wussten, wie man es hätte machen müssen


In den Verhören luden seine Mitverschwörer überdies einen großen Teil ihrer Verantwortung auf den bereits in der Nacht zum 21. Juli 1944 erschossenen Stauffenberg ab, wissend, dass man einen Toten nicht zusätzlich gefährden kann. So geriet der Spross eines alten württembergischen Adelsgeschlechts zur entscheidenden Antriebskraft eines Umsturzversuches, der noch bis in die letzten Kriegstage hinein Opfer forderte.


Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wechselte die Perspektive der Deutschen. Nun wurde Stauffenberg nicht mehr offen als Verräter diffamiert, wurde seine Familie nicht mehr geächtet. Geachtet wurde der Attentäter freilich auch nicht. Vielmehr suchten einstige Mitläufer - Bundespräsident Theodor Heuss sprach von den "moralisch Anspruchslosen" - unverdrossen ihre eigene Passivität zu rechtfertigen, wenn sie Stauffenberg weniger das Attentat als vielmehr dessen angeblich dilettantische Ausführung anlasteten. Viel zu spät sei der Bombenanschlag erfolgt, nicht konsequent sei seine Ausführung gewesen, und an den deutschen Stammtisch zeigten die mehr oder minder Bezechten, wie man es hätte machen müssen. Respekt fand Stauffenberg nicht.


Bis weit in die fünfziger Jahre lehnten es die meisten Deutschen strikt ab, eine Schule oder eine Straße ihrer Gemeinde nach dem Attentäter des 20. Juli 1944 zu benennen. Erklären lässt sich diese Weigerung wohl nur tiefenpsychologisch. Denn Fragen der Nachwachsenden nach der Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern wurden in der Regel so beantwortet, dass sich fast immer eine Entlastung, fast eine Rechtfertigung für die Angepassten und Mitläufer ergab. Dabei hatten diese durch ihr Verhalten vieles von dem ermöglicht, wogegen sich Stauffenberg unter Einsatz seines Lebens gestellt hatte.


Deutschland, das erste von Nationalsozialisten besetzte Land?


Dennoch kam seine Tat und seine Herkunft Mitte der fünfziger Jahren vielen der Deutschen gelegen, die für Deutschland einen Platz in der Welt schaffen wollten und den Widerstand als Ausdruck eines anderen Deutschlands deuteten. Das Wort von dem einen Gerechten, dessen Existenz Deutschland vor dem Verderben bewahren sollte, wurde gern zitiert. Nicht selten schien es, als sei das Deutsche Reich das erste von den Nationalsozialisten besetzte Land gewesen - mit Stauffenberg, als Freiheitskämpfer.


Die beiden Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches - und damit der NS-Diktatur - wollten ein Jahrzehnt nach der Niederlage der Wehrmacht einen Teil ihrer Traditionen aus dem Widerstand begründen. In der DDR sah die Führung die Sache einfach: In entscheidendem Maße sei der Widerstand von den Kommunisten angeleitet worden, deren Moskauer Exilkader die führende Kraft des Gesamtwiderstands gewesen seien. Hüben las sich das anders: Die Regimegegner hätten sich der Vollmacht eines Gewissens gebeugt, dass vor allem die Menschenwürde zum Maßstab gemacht hätte.


Was konnte man in einer solchen Situation mit Stauffenberg machen? Seine Herkunft konnte man nicht umdeuten, seine Funktion nicht verändern - also ging man daran, seine innere Überzeugung ein wenig umzudeuten. Der ostdeutsche Historiker Kurt Finker etwa beschrieb Stauffenberg als Attentäter, der zumindest Kontakt zu den Kommunisten gesucht und angeblich bewusst eine programmatische Nähe zu den Zielen des kommunistischen Widerstands bewiesen habe. Diese Deutung lässt sich nicht belegen; ihr wurde rasch und mit überzeugenden Argumenten widersprochen.


In der Deutung übers Ziel hinausgeschossen


Im Westen dagegen wurde Stauffenberg zunehmend als ein NS- Gegner gezeichnet, der zugleich entschieden antikommunistisch war. Vergessen wurde darüber, dass der Graf den Sozialdemokraten Julius Leber ermutigt hatte, Kontakte zu kommunistischen Widerstandskämpfern zu suchen. Stauffenberg war klar gewesen, dass ein Widerstand ohne Volk auch eine Massenbasis haben musste und Kontakte zu Gewerkschaftern, zu Vertretern der SPD und der alten KPD wichtig waren.


Dass die Bundeswehr Stauffenberg seit den Mitfünfziger Jahren in ihrem Traditionsverständnis aufgenommen hatte, war verständlich - künftig sollten deutsche Streitkräfte nicht mehr durch die Pflicht zum unbedingten Gehorsam charakterisiert werden können. Ein Kamerad von Stauffenberg, Wolf Graf Baudissin, war es, der das Konzept der "Inneren Führung" entwickelte, welches der Auseinandersetzung mit den ethischen Grundlagen des Soldatentums und den Grenzen des Gehorsams einen hohen Stellenwert gab.


Aber sicherlich schoss man in den Deutungen weit über das Ziel hinaus, als man behauptete, Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 hätten die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik verwirklichen wollen. So drohte der angemessenen Würdigung Stauffenbergs schon wieder Gefahr: Gegen eine solche weitreichende Vereinnahmung wiesen Historiker bald darauf hin, dass Stauffenberg seinen Weg in den Widerstand aus den Denkvorstellungen des Obrigkeitsstaates heraus gesucht habe. Bis in die letzten Wochen vor dem Attentat, so die Gegenposition, habe der Generalstabsoffizier in der Sicherung einer deutschen Hegemonialstellung in der Mitte Europas ein wichtiges Ziel seiner Bestrebungen gesehen.


Gesucht: Der reine Held


Stauffenberg geriet so in den Mittelpunkt einer neuen Kritik des militärischen Widerstands - und wurde ein besonders prominentes Opfer vieler Deutscher, die sich nun von den Widerstandskämpfern im Umkreis des 20. Juli 1944 abwandten. In den sechziger Jahren gab es kaum eine Veranstaltung zum Widerstand, keine Schulstunde, keine Rundfunksendung, die nicht betont hätte, dass es "nicht nur den 20. Juli" gab. Bald musste ausdrücklich betont werden: Diesen 20. Juli gab es auch.


Verstellt wurde in den Deutungen und Umdeutungen der Blick auf den Menschen Stauffenberg: auf die Leistung, innerlich eine Position zu überwinden, die er mit den Nationalsozialisten zunächst partiell teilte und die ihn zunächst keineswegs zu einem geborenen Gegner des Hitler-Regimes gemacht hatte. Keinen Blick hatte man für die Stufen seiner Distanzierung von Zeitströmungen. Immer wieder war zu lesen, Stauffenberg habe sogar vor einer Hakenkreuzfahne salutiert, er sei ohne Zögern in den Krieg gezogen. Das Gespür für die Dramatik, die gerade in der Überwindung individueller Verstrickungen in Zeitströme verborgen liegt, war nur schwach ausgeprägt.


Man suchte den reinen Helden, die Lichtgestalt - und verfehlte so die Wirklichkeit eines Lebens an der doppelten Front: von Bomben und Gestapo, von Kooperation und Konfrontation, von Gehorsam und Widerspruch. Bekannte und Freunde Stauffenbergs betonten seine Entschlossenheit und Selbstlosigkeit, seine Begeisterungsfähigkeit und Konsequenz. Er wurde zwar erst spät - 1943 - zum Motor des Widerstands in Berlin. Als er aber diese Funktion übernommen hatte, schreckte er niemals zurück, zögerte nicht einmal, sondern suchte Verbindungen, drängte über den Kreis der Militärs, der Verwaltungsbeamten und Großbürger, vor allem auch des Adels hinaus, wollte die Basis des Widerstands vergrößern.


Feigheit als Eidestreue verklärt


Mehrere Stauffenberg-Gedenkstätten können nicht darüber hinweg täuschen, dass es ein langer Weg war, bis der Mann, der den Staatsstreich gegen die Nazis wagte, seinen Platz im kollektiven Gedächtnis der Deutschen fand. Fest steht heute: Stauffenberg war kein Bedenkenträger, er war bis 1942 Teil des NS-Systems. Nach 1940 durchschaute er zunehmend die verbrecherische Kriegführung und erkannte in der Unterdrückung der Bevölkerung der besetzten Gebiete einen Fehler. Aber er kämpfte mit, bis er Anfang April 1943 lebensgefährlich verwundet wurde und nur als Krüppel überlebte.


Erst nun suchte er die Verantwortung - vielleicht, weil er innerlich bereits mit dem Tod abgeschlossen hatte: Nun müsse er Deutschland retten, mit diesen Worten begrüßte Stauffenberg seine Frau bei ihrem ersten Lazarettbesuch. Dass er scheiterte, lag nicht an ihm, sondern an seinen Kameraden in den Berliner Kommandos und in den Wehrkreisen, die sich in den Abendstunden plötzlich auf ihren Eid an Hitler besannen und Stauffenberg verrieten.


Ein Erfolg seiner Tat, so viel ist sicher, hätte viele Menschen vor dem Tod bewahrt. Stauffenberg wollte die Deutschen von Hitler befreien; danach hätten die Überlebenden ohne Zweifel schwer um die Ausrichtung eines Nach-Hitler-Deutschlands gerungen. Was das Resultat gewesen wäre, wissen wir nicht. Stauffenberg allerdings zum Symbol des undemokratischen Rückwärtsgewandten zu machen, weil er aus den Horizonten seiner Zeit handelte, wäre unhistorisch. Und ebenso leichtfertig ist es, ihn zum Bannerträger unserer freiheitlichen Grundordnung zu erhöhen, die Resultat der militärischen Niederlage Deutschlands war.


Der Mensch Stauffenberg aber bleibt faszinierend. Er gehörte zu den wenigen Deutschen seiner Zeit, die wirklich bereit waren, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu suchen, zu handeln und den "entscheidenden Wurf" zu riskieren. Diese Haltung aber war weitaus mutiger, als bis zum bitteren Ende zur Fahne zu stehen, die das Hakenkreuz trug - wie viele, die ihre Feigheit später als Eidestreue verklärten. Sie kostete Stauffenberg in der Nacht des 20. Juli 1944 das Leben.

Prof. Dr. Peter Steinbach

Arbeitsbereich: Neuere und Neueste Geschichte, Zeitgeschichte


Akademischer Werdegang:


1968-72

            

Studium der Geschichte,

Philosophie und Politik-

wissenschaft in Marburg

 

1972

            

Staatsexamen

 

1973

            

Promotion an der Philipps-

Universität in Marburg im

Fach Mittlere und Neuere

Geschichte

 

1974-78

            

Assistenz-Professor an der

FU-Berlin

 

1979

            

Habilitation,

Doppel-Venia für Neuere

Geschichte und Politik-

wissenschaft

 

1980

            

Heisenberg-Stipendiat

der DFG

 

1982-92

            

Professor für historische

und theoretische Grund-

lagen der Politik an der

Universität Passau

 

seit 1983

            

wissenschaftlicher Leiter

der ständigen Aus-

stellung "Widerstand

gegen den National-

sozialismus" in Berlin

 

seit 1989

            

wissenschaftlicher Leiter

der Gedenkstätte Deutscher

Widerstand in Berlin

 

1992- 2001

 

            

Professor für Historische

Grundlagen der Politik


1999/2000

            

Mitglied der Regierungs-

kommission "Gemeinsame

Sicherheit und die Zukunft

der Bundeswehr"

 

seit 2001

            

Professor für Neuere und

Neueste Geschichte an

der Universität Karlsruhe

(TH)

 

2007

            

Versetzung an die Universität Mannheim



Forschung und Projekte: